Mittwoch, 28. November 2012

Fragen, die es sich zu fragen gar nicht lohnt

Ein neuer Tag. Doch immer und immer wieder wiederholt sich die gleiche scheisse. Das einzige was sich ändert ist das Datum auf dem Kalender. Und selbst das wiederholt sich wieder. Tage, Monate, Jahre. Vergehen und hinterlassen nur einen bitteren Nachgeschmack und Dinge an die ich nicht mehr denken will. Immer und immer wieder. Es ändert sich nichts. Am allerwenigsten Ich.
Es heißt, die Menschen würden sich verändern, mit der Zeit. Ich weis nicht ob das stimmt, ob ich daran überhaupt glauben kann. Wenn ich mir andere so ansehe, im Verlauf der Jahre, so ändert sich vielleicht ihr Verhalten, um ihre Ziele zu erreichen. Aber die Menschen an sich, ihr Charakter, ändern sich nicht.

Nichts als Vorwürfe. So viele Lügen, so viele verdrehte Wahrheiten. So viele verletzende Worte. Und ich kann nicht damit umgehen, nach all den Jahren nicht, habe es nie gelernt. Ich will schreien, will meiner Mutter die Wahrheit ins Gesicht spucken, doch ich weis dass sie mir sowieso nicht glauben. Das habt sie nie getan, und wird sie nie tun. Und es tut weh. Immer und immer wieder aufs Neue. 

Alles ist so weit weg. Ich laufe durch die Straßen der Winterstadt,  ruhelos. Im Unterricht hab ich es nicht ausgehalten, doch weis ich nicht wohin. Wie so oft. Ich sehe die Menschen und sehe sie nicht. Alles zieht an mir vorbei, hat einfach absolut nichts mit mir zu tun. Ich bin so teilnahmslos.
Ich stehe im Bad, blicke auf blutige Schlieren die im Abfluss verschwinden. Spüre das Brennen, und spüre es nicht. Alles wie durch einen Schleier. So fern, so weit weg.
Habe keine Kraft noch einmal raus zugehen, hinaus in die Kälte. Kälte, die mir in den Körper kriecht und sich dort einnistet. Winter. Wo niemals Sommer wird.
Meine Gedanken, so wirr und bedeutungslos. Schwimmen im grauen Nebel. Gedankenfischer versuchen die richtigen Gedanken aus dem Sumpf zu ziehen, haben jedoch immer die falschen am Angelhaken hängen. Ich denke zu viel nach, denke zu viel bedeutungsloses, suche zu viele Antworten, die es nicht gibt.

Kann die Worte meiner Mutter nicht aus meinem Kopf vertreiben. Vorwürfe. So viele Vorwürfe. Warum kann ich meine Gedanken nicht im Meer ertränken? Warum kann ich nicht aufhören ständig nachzudenken? Es ist wie ein Karussell, dreht sich immer und immer nur um das gleiche, und kommt niemals zum Stillstand, niemals zum Ziel.

Was ist Wahrheit? Und habe ich als jemand, der selbst lügt, überhaupt das Recht nach so etwas wie Wahrheit zu suchen?
Gibt es für ein Mädchen wie mich, nirgends gewollt und nirgendwo hinein passend, überhaupt einen Platz in dieser Welt?
Kann jemand wie ich, die sich selbst in der Dunkelheit verloren hat, die verloren ist, überhaupt wieder aus der Dunkelheit zurückkehren?

Samstag, 24. November 2012

Gefangenes Spiegelmädchen in eigenen dunklen Gedankenwelten

Ein Lächeln auf den Lippen des Mädchens, das mir aus dem Spiegel in die Augen sieht. Doch es ist kein fröhliches Lächeln. Nichts kann ich dagegen tun, gar nicht, der Selbsthass kommt in Wellen, kommt wie Wind und Sturm. Hass auf dieses Wesen, das ich bin. Dieses dumme Kind, diesen schlechten Menschen, dieses Mädchen, das irgendwo zwischen Leben und Sterben umherirrt, in einer Welt gefangen, die nur in ihrem Kopf und ihren Gedanken existiert, dieses Mädchen, das falsch ist in dieser Welt. 
Dunkle Gedanken hängen in den Wolken über meinem Kopf, senken sich auf meine Welt, nehmen mir die Luft zum atmen, lassen mich in einem Meer aus Tränen ertrinken, die ich nicht weinen kann.
Ich stehe vor dem Spiegel. Und will dieses Ding töten, das darin eingesperrt ist. Dieses Ich, das mich festhält in einer Zeit, die schon längst von der Zukunft eingeholt wurde, doch diese Zukunft gab es nie für mich. Ich stehe noch immer irgendwo in der Vergangenheit. Ich kann nicht nach vorne blicken, sondern nur zurück. Als hätte ich meine Augen auf der falschen Seite. Schatten sind Schatten der Ewigkeit. Sie lassen einen niemals los.

Zu verletzlich. Ich bin viel zu verletzlich. Ich habe keinerlei Schutz, es ist viel zu leicht mir weh zu tun. Es reicht oft schon ein Wort, eine kleine Erinnerung, eine Situation, eine Beobachtung, und schon öffnet sich in mir eine der vielen Türen in mir, hinter denen ich die dunklen Erinnerungen verschlossen halte, verdrängt. Und dann bin ich machtlos. Die Tür fliegt mit einem Knall auf, und ich habe nicht die Kraft, sie wieder zu schließen. Ich stehe da, bewegungsunfähig, während all die Gefühle und Gedanken durch mich fließen, als wäre es nie vorbei sondern geschieht in diesem Moment. Egal wie lang es auch her ist, auch wenn es viele Jahre sind, das spielt keine Rolle. Erinnerungen holen die Zeit zurück. Egal wie viel Zeit auch vergeht, es ist nie genug. Es tut weh. Immer und immer wieder aufs neue. 
Menschen verletzten andere, verletzen mich, denn jeder trägt Messer aus Worten mit sich herum, und die meisten werfen leichtfertig damit um sich, und es ist ihnen egal wenn sie damit treffen. Manchen macht es Spaß in alte Wunden zu stechen, die nie verheilt sind.

Brennende Narben zeigen mir dass ich noch lebe. Dass ich da bin, dass ich nicht nur eine Erinnerung bin, die übrig geblieben ist weil sie vergessen wurde. Ein seltsames Lächeln. Ein Mädchen, das mir so fremd erscheint. Wer oder was bin ich? Wer oder was würde ich gerne sein? Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Wie soll ich an eine Zukunft glauben, wenn ich mich selbst irgendwann auf diesem langen Weg verloren habe? Wenn ich das verloren habe, was man zum leben braucht, sodass sich leben von überleben unterscheidet, bzw. wenn ich das niemals hatte. Wenn mir das, was andere haben, schon immer fehlt, dann ist es kein Wunder dass ich andere Menschen schon seit ich mich erinnern kann um diese Leichtigkeit beneide, diese Fröhlichkeit, die Hoffnung die sie antreibt, und das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Ich habe mich immer gefragt, wie andere es schaffen zu leben ohne zu verzweifeln und sterben zu wollen. Doch andere kennen wohl diese Leere nicht, die Depression und Traurigkeit, die wie ein grauer Nebelschleier über allem hängt und der Welt de Farben entzieht. Auch wenn ich heute Dinge verstehe, die ich früher als ich klein war nicht verstanden habe, so ist es doch das selbe geblieben, es hilft mir nicht zu verstehen, da ich all das andere noch immer nicht verstehe, da ich am Leben verzweifle. Der Wunsch wirklich zu leben statt nur zu existieren ist da, doch genauso die Frage, was "richtig zu leben" eigentlich ist und wie das geht. 
Ich bin die selbe geblieben. In all den Jahren. Und ich werde wohl niemand jemand anders sein können. Wenn in meinem Kopf all die Stimmen flüstern, wenn die Gedanken über mir hereinstürzen, wenn die Dunkelheit in mir mich zu verzehren beginnt, so bin ich gefangen in meinem eigenen Kopf, eingesperrt in meinem eigenen Körper. Aus der Dunkelheit der eigenen Gedankenwelt gibt es kein entkommen. Da führt kein Weg mehr zurück, wenn man sich einmal in dieser Dunkelheit verlaufen und verloren hat.

Ich weis, dass es schlechte und etwas bessere Tage gibt. Auch wenn die besseren sehr selten sind. Und dann gibt es noch diese anderen Tage. Die gefühlsmäßig den absoluten Tiefpunkt darstellen. 
Das was ich habe, kann man nicht Leben nennen. Es ist langsames Sterben, das sich ein Leben lang hinzieht. Auch wenn es ein recht kurzes Leben ist, so kommt es mir selbst vor wie eine Ewigkeit. Viel zu lang.

Ich bin allein und voller Ängste, die die Dunkelheit nur weiter nähren. Ich will weinen, doch ich kann es nicht. Ich sitze da und starre ins Leere, starre hinaus in die Welt, doch ich sehe sie nicht. Mein Blick ist nach innen gekehrt, ich sehe ganze Welten, die sonst keiner sieht. 
Ich habe Angst. Angst vor den Träumen. Angst vor den Erinnerungen und Gedanken. Angst davor einzuschlafen. Angst, am nächsten Morgen wieder zu erwachen.

Meine Tage versinken in Sinnlosigkeit, gehen irgendwo im Strom der Zeit unter. Ich bin so teilnahmslos, alles zieht einfach nur vorüber. Als wäre mein Leben nur eine Zugfahrt. Und keine bei der es sich lohnt auch nur aus dem Fenster zu sehen. 

Ich fühle mich allein. Allein mit all den Gedanken in mir, die auch Gesellschaft nicht vertreiben kann. Diese Art von Einsamkeit, die dem Gefühl von Kälte gleicht, die sich im eigenen Körper eingenistet hat, und einen Wärme von außen nicht länger spüren lässt.

Ich weis nicht mehr weiter. Weis nicht was ich noch tun soll. Fühle mich, als würde ich am Abgrund stehen kurz vor dem Fall, oder schon einen Schritt weiter, ohne es bereits registriert zu haben.

Freitag, 16. November 2012

Wirre Tage die in Bedeutungslosigkeit versinken

Ich hab das Gefühl zu fallen, immer tiefer und tiefer ins Dunkel, es gibt keine Ende, ich komm niemals unten auf.
Ich hab das Gefühl zu ertrinken, unterzugehen im weiten Meer. Nach Halt zu suchen, den es nicht gibt, nach Hilfe zu rufen, doch keiner hört mein stummes Schreien.
Ich hab Angst. Angst, die mich quält. Angst, die Bilder in meinen Kopf malt, die nicht real sind und denen ich dennoch nicht entkommen kann. Angst, die mich zittern lässt, die mich nicht schlafen lässt, die alles in mir zu verschlingen droht.
Ich will aufwachen. Doch mein Leben ist kein Traum. Ich will schreien, doch all die Worte und all der Schmerz bleiben in mir. Ich will weinen, doch kann es nicht mehr. Ich will weglaufen, doch vor mir selbst kann ich nicht fliehen. Ich will sterben, doch ich weis dass ich das noch nicht darf. Ich will leben, doch ich weis nicht wie das geht. 

Ich fühle all den Hass, das Unverständnis und die Abneigung, die die Menschen mir entgegenbringen und in der Vergangenheit entgegenbrachten. 
Ich sehe in den Augen meiner Mutter (die seit heute wieder zuhause ist) all das, was sie nicht aussprechen darf. Ich höre in meinem Kopf all die Worte, die sie mir entgegengeworfen hat, und die noch immer wehtun, noch immer brennen wie Feuer in Wunden, wie am ersten Tag. 
Ich lebe in einem Kartenhaus. Nur der kleinste Windhauch kann alles zum Einsturz bringen. Kartenhäuser sind nicht für Gewitter und Stürme gemacht.

Ich fühle mich fremd. Fremd in dieser Welt. Fremd in meinem eigenen Körper. Ich bin es, der in den Spiegel blickt, doch ich bin es nicht, der vom Spiegel zu mir zurückblickt. 
Ich bin etwas, das irgendwie übrig geblieben ist. Etwas, das niemals jemand haben wollte, weil es niemals gut genug war, niemals die Erwartungen erfüllen konnte. Doch trotzdem bin ich da. Und ich bin diejenige, die dafür am allerwenigsten etwas kann.

Schmerz bohrt sich durch meinen Körper. Unerwartet, ohne Vorwarnung. Plötzlich dieses Stechen, und ich habe Mühe nicht zu schreien. Vor meinen Augen explodieren tausend Funken, die Welt dreht sich. Nach einer Weile lässt es nach.

Meine Tage sind wirr, sind von Leere und Bedeutungslosigkeit geprägt. Alles zieht an mir vorbei, grau und  voller dunkler Gedanken. In meiner Erinnerung verschwimmen diese Tage zu Nebelwolken, nicht greifbar, nicht wirklich da. Es ist als hätte ich die Zeit erlebt und nicht erlebt zugleich.
Allein aufzustehen und in den Unterricht zu gehen bereitet Anstrengung. Nächte voller Alpträume, Nächte fast ohne Schlaf. Ich kann zwar sagen, ich bin es gewohnt, doch ich kann nicht sagen, dass ich auf Dauer so weitermachen kann.

Ich habe Angst. Ich fühl mich so fehl am Platz. Ich fühle oft gar nichts mehr, fühle mich als wäre ich schon lange nicht mehr da. Als wäre ich schon tot, und hätte nur meine eigene Beerdigung verpasst. 

Mittwoch, 14. November 2012

Der Schnee der Vergessenen


Ein Blick in den Spiegel. Eingerahmt das immer gleiche Bild. Immer gleich, immer anders. Immer dunkel, immer leer. Immer voll von Selbsthass und nie geweinten Tränen. 
Allein gelassen. Verletzt. Einsam.
Einsamkeit. Ein Wort, das seltsam auf der Zunge schmeckt, wenn man es sein leben lang in sich trägt, doch niemals ausspricht. Stilles Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit, stille Resignation. 

Ich komme mit der Welt nicht klar, und die Welt nicht mit mir. Ich komme mit meinem Leben nicht klar. Ich komme mit der Vergangenheit nicht klar. Nicht mit Gegenwart und Zukunft. Ich komme mit gar nichts klar.

Ich weis nicht einmal mehr was ich noch fühle. In diesen Tagen fühle ich oft gar nichts. Fühle nicht dass ich noch da bin, fühle nicht dass ich noch lebe. Fühle Schmerz, den ich erst nach einer ganzen Weile als solchen registriere. Fühle nur Angst, doch selbst die fühlt sich manchmal irgendwie betäubt an. Fühle mich allein und leer. Fühle all die Tränen in mir, die ich nicht weinen kann. 

Ich will verschwinden. Will einfach nur verschwinden, eintauchen im Meer des vergessen. Ich will nicht in der Erinnerung der Menschen als jemand bleiben, der ich nicht wirklich bin. Ich will vergessen können. Will all die Dinge hinter mir lassen, die mich einfach nicht loslassen, die mich in meinen Träumen einholen, auch wenn ich sie sonst so gut es geht zu verdrängen versuche. Ich will verschwinden.

Eiskalt. Es ist eiskalt in mir. Ich kann nicht aufhören zu zittern, doch es ist keiner da der mich wärmt. Ich spüre die Kälte nicht nur auf meiner Haut, ich spüre sie in mir, tief in mir drin. Für mich ist es Winter. Schneeflocken fallen leise in meinem Inneren, lassen die Tränen erfrieren, bedecken alles in mir. All das Hässliche und Dunkle. Und das letzte bisschen Licht, von dem ich nicht einmal glaube, dass es noch vorhanden ist. Alles wird von Schnee bedeckt. Doch es ist keine wärmende Decke. Es ist ein Leichentuch.

Dienstag, 13. November 2012

dunkle Spiegelschatten und Gedankengeister

Dunkelheit. Wohin ich auch gehe, denn die Dunkelheit ist in mir. Lässt mich nicht schlafen. Quält mich mit all den Bildern meiner Erinnerung. Lässt mich nicht los. Lässt mich niemals los.
Spiegel können die Türen zu anderen Welten öffnen, doch man selbst kann sich auch im Spiegel verlieren. Wenn ich in den Spiegel blicke, dann sehe ich mein eigenes, müdes Gesicht. Meine langen, hellen Haare, meine Augen, die mich daraus anblicken. Der Blick des Spiegelmädchens ist so leer.
Ich sehe ein Mädchen, das mir selbst fremd ist. Sehe mich selbst, sehe meinen Körper, und spüre deutlicher denn je wie sehr ich mich selbst hasse. Am liebsten würde ich den Spiegel zerschlagen, um das Wesen, das ich bin, nicht länger ansehen zu müssen. Will das Spiegelbild zerstören. Will all die Erinnerungen auslöschen, all die Traurigkeit und den Schmerz, will dieses Leben vergessen.

Meine Welt ist grau und dunkel. Und sie ist so leer. Sinnlosigkeit liegt wie ein schwerer Mantel über allem gebreitet und nimmt mir die Luft zum atmen. Ich habe tausende Fragen. Tausend "Warum?!" spuken mir in blutig roter Leuchtschrift durch den Kopf. Tausend Fragen. Tausende und abertausende Gedanken, durch meinen Kopf rasend, niemals halt machen, und nicht merkend,dass sie sich selbst nur im Kreis drehen. Keine Wände, keine Ruhe, kein Schlaf, der zumindest für eine kurze Weile das Chaos und all die Gedanken in mir zum verstummen bringt. 

Rote Schlieren mischen sich mit Wasser und werden fortgespült. Schon wieder ein Spiegel, dieses Mal der im Bad. Ich schaue schnell weg. Verlasse das Bad. Um in die Stille und Einsamkeit des Hauses zurückzukehren, das mir im sterbenden Licht des Tages leerer denn je vorkommt. Dunkelheit kriecht durch die Fensterscheiben über den Boden, die Schatten werden länger und dunkler. Ich habe keine Angst vor der Dunkelheit, die habe ich schon lang nicht mehr. Was mir Angst macht ist die Stille, die Leere. 
Ich weis selbst nicht mehr, was ich eigentlich will. Ich will gar nichts mehr. Ich weis gar nichts mehr. Ich bin verwirrt, verloren, allein.
Wenn meine Eltern zuhause sind, fühle ich mich genauso verloren und einsam wie an Tagen, wenn sie nicht da sind. Doch heute, wo sie nicht da sind, treibt mich diese Innere Unruhe dazu, ziellos von einem leeren Raum in den nächsten zu gehen, ohne zu wissen, was ich dort eigentlich will. Ich hasse mich, hasse mich mehr denn je. Dieses Leben, das im Grunde keines ist. Ich fühle mich tot, fühle gar nichts mehr. Bin nicht einmal sicher, ob es mich überhaupt noch gibt. Vielleicht bin ich selbst ja schon lang nicht mehr da, bin schon lange weg und habe es nur selbst noch nicht gemerkt. Oder mein Kopf voller kranker Gedanken hat sich mich selbst ausgedacht, und ich bin nur eine Illusion in meiner eigenen Gedankenwelt. 

Zwischen all den Menschen fühle ich mich so falsch. Fühle mich noch viel fremder und noch viel falscher. Sehe lachende Gesichter, höre Worte, die an mir vorbeigehen wie ein unendlicher Fluss. Sehe Bewegungen die sich in tanzenden Lichtern vor meinen Augen abspielt. Sehe die Welt, die nicht stillsteht. Und fühle mich selbst nur umso falscher, weil ich die einzige bin, die stillsteht. Die stehen geblieben ist und niemals weitergehen wird. Wie eine kaputte Uhr, die man nicht mehr aufziehen kann. Kein Teil mehr des ewigen Zeitflusses. Irgendwo darin verloren gegangen, weil ich es nicht mehr geschafft habe, mitzuhalten.
Ich war nie stark genug. Nie. Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, dann macht einen das stärker. Das habe ich schon oft gehört und gelesen, doch es stimmt nicht. Aus eigener Erfahrung weis ich, dass man trotzdem nicht stärker wird. Auch wenn man es sich wünscht. Es macht einen nicht stark, es macht einen nur noch mehr und mehr und mehr kaputt. Ich weis nicht, ob es irgendwas gibt, das einen stärker macht. Ich habe es nicht. Und ich glaube, dass ich es niemals haben werde. 

Warum tut es immer noch weh, nach all diesen Jahren? Warum habe ich mich nicht daran gewöhnt? Warum tut es jedes Mal aufs neue weh? Warum habe ich nicht gelernt damit umzugehen?...Ich bin müde. Müde von all den Gedanken, die durch meinen Kopf geistern, und mir keine Ruhe lassen...


Ich will den Himmel sehen
will auf Wolken stehen
im Glanz der Sterne gehen -
Ich bin ein Träumerkind
in weitem Meer und Wind
hab den Weg verloren
kann keinen mehr sehen,
kann allein nicht mehr stehen
hab keinen Weg zu gehen....

Sonntag, 11. November 2012

Kälte

Graue Nebelschleier durchziehen meine Gedanken, Wolkenmassen ergießen Regenströme auf die Erde. Sonntag. Auch wenn mir mein Zeitgefühl schon lange abhanden gekommen ist, auf den Kalender ist verlass. Sonntage sind meistens irgendwie leere, unausgefüllte Tage, die schleichend vergehen, doch dieser Tag heute wollte gar nicht vergehen. Stunde um Stunde um Stunde. Warten. Doch worauf? Das weis ich nicht. Regen, der an mein Fenster trommelt. Mein Zimmer, so kalt und leer. Ich, einsam und allein. Das Spiegelbild, das ich heute rein gar nicht ertragen kann. Als würden tausend ungesagte Worte auf meinen Lippen liegen, die unbedingt frei gelassen werden worden, doch ich halte sie fest. Spreche sie nicht aus. Ich bleibe still. 
Die innere Unruhe lässt mich kaum still sitzen, die Gedanken in meinem Kopf sind ständig in Bewegung. Nach einer unruhigen Nacht, voller wirrer Träume, aus denen ich panisch erwache, ist auch der Tag nicht besser. Der wenige Schlaf in der Nacht bringt mir keine Erholung. Müde und zugleich viel zu unruhig. 
Das Gespräch mit meiner Mutter. "Gespräch". Jedes "Gespräch" endet im Streit. Ich weis nicht mehr, worum es genau ging. Aber sie hat gesagt, dass sie nächste Woche im Krankenhaus ist. Hat es nur so als Randbemerkung hinzugefügt. Dieses Mal keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisung. Aber dann, die Worte: "Aber das ist dir doch sowieso egal." Betont nebenbei lässt sie diese Bemerkung noch fallen, all die Vorwürfe indirekt darin mitschwingend, schmeisst mir die Worte wie ein dreckiges Paket vor die Füße und wartet darauf, dass ich es aufhebe. Doch den gefallen tu ich ihr nicht. Ich tu so, als hätte sie gar nichts gesagt. Ignoriere ihre Worte. Gehe. 
Ich weis nicht, was ich hätte sagen sollen, weis nicht was ich hätte fühlen sollen. Und die Wahrheit ist: Ich fühle gar nichts. Nur all die Vorwürfe, all die schlimmen Dinge, die sie mir sonst immer an den Kopf geworfen hat. Du bist schuld, dass ich so krank bin. Du hast keinerlei Menschlichkeit in dir. 
Ich weis nicht, was ich denken soll. Will gar nichts denken. Würde am liebsten all die Gedanken in mir ausschalten. Will endlich mal Ruhe in meinem Kopf. Warum fühle ich nichts, warum fühle ich rein gar nichts? Bin ich wirklich so ein schlechter Mensch?
Ich bewege mich wie ein Geist durch dieses Haus, das kein Zuhause ist. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel, Augen nichtssagend und leer. Und noch immer dieser unruhige Blick. Erneut bringt mich diese Unruhe dazu, hinaus in die Dunkelheit und Kälte zu gehen. Und im strömenden Regen ziellos mit dem Fahrrad durch die verlassenen Straßen zu fahren, als könnte ich vor irgendwas davonfahren, als könnte ich vor mir selbst davon  rennen. Meine Kleidung durchnässt. Eisige Kälte die in meinen Körper, meine Knochen kriecht. Atem, der in kleiner, weißer Wolke vor meinem Gesicht tanzt.
Ich fühle nichts, nur Kälte.

graue Wolkengedanken

Die Tage vergehen und fließen ineinander über, genau wie meine Gedanken. Nicht greifbar, sind irgendwo zwischen Himmel und Erde in den Wolken hängen geblieben. Zäh fließen die Stunden der Nacht dahin, kriechen wie schwarze Schatten über den Boden, lauern überall in der Dunkelheit. Einsamkeit. Angst. Kälte. 
Verloren.
Alles erscheint mir unwirklich, alles wirkt zugleich so fremd und schon einmal gelebt. In diesem Haus lauern die Geister der Vergangenheit überall, die Erinnerungen, die irgendwo in meinem Hinterkopf herumspuken, und die ich einfach nur vergessen will. Ich wohne hier zusammen mit Menschen, die eigentlich keine Fremden für mich sein sollten. Ich bin da und nicht da zugleich. Ich bin wie Nebel. Man kann ihn zwar sehen, aber wirklich existieren tut er nicht, denn man spürt ihn nicht, man nimmt ihn nicht wirklich wahr, nur am Rande des Bewusstseins.
Ich quäle mich durch die Tage. Versuche aufzustehen, wenn der Wecker klingelt. Versuche halbwegs pünktlich zu sein, versuche nicht mehr so viel Unterricht zu schwänzen. Versuche so zu tun, als würde es mir gut gehen. Ich bin eine Meisterin der Masken, lache und tue so, als wäre das alles ganz normal, als würde ich mich normal fühlen und nicht absolut fremd in dieser Schule, diesem Haus, dieser Welt und diesem Körper. Für die anderen bin ich jemand, die ich eigentlich gar nicht bin. 
Doch wer oder was ich wirklich bin, weis ich nicht. Jedes Mal würde ich das Mädchen im Spiegel am liebsten fragen: "Wer bist du?", denn es ist mir so fremd. 
Einzig der Blick des Spiegelmädchens ist mir vertraut. Gehetzt und unruhig, unsicher und verzweifelt. Es ist diese innere Unruhe, die mich zur Zeit antreibt. Diese Unruhe, die mich nicht still bleiben lässt, sondern mich trotz eisiger Kälte und Husten hinaus in die Dunkelheit der Nacht treibt.
In diesen Tagen fühle ich gar nichts. Spüre nur eisige Kälte. Kälte auf meiner Haut und Kälte in mir drin. Ich habe das Gefühl, nichts mehr zu wissen, langsam immer weiter verloren zu gehen, mich immer weiter selbst zu verlieren. Mein Leben verschwimmt in einem Meer von Bedeutungslosigkeit. Aufstehen und im Unterricht sitzen ist sinnlos. Warum tue ich es also? Weil zuhause sitzen genauso sinnlos ist. Auch nie mehr aufstehen ist sinnlos. In dunklen Gräbern ist es finster und kalt. Weder im Leben noch im Tod wartet irgendwo eine Antwort. Denn nach Antworten zu suchen, die es nicht gibt, ist ebenfalls sinnlos. Und doch ist das eines der Dinge, die den Menschen irgendwie im Blut liegen, eins der Dinge, die man nicht aufgeben kann, die man niemals aufhören kann, auch wenn einen der eigene Verstand zum tausendsten Mal daran erinnert, dass man sich nur wieder an den Scherben des eigenen Lebens schneiden wird.
An manchen Tagen fühle ich mich absolut leblos, tot. Wie eine Puppe oder eine Maschine laufe ich durch die Welt, durch meinen Tag. Ich funktioniere. Ich führe Gespräche, an die ich mich schon kurz danach nicht mehr erinnern kann, ich höre scheinbar dem Unterricht zu, doch die Worte kommen nicht einmal bei mir an. In mir herrscht Stille. Nur meine eigenen Gedanken füllen diese Stille aus und kreisen unaufhörlich durch meinen Kopf. 
Wenn ich einen Raum verlasse, ist es als hätte ich mein Gehirn irgendwo auf dem Tisch vergessen, denn meine Gedanken verselbstständigen sich, denken sich selbst weiter, während ich irgendwo bin, irgendwo stehe und gehe und das nicht einmal bewusst wahrnehme. Es ist, als müsste ich das Gehirn, und all die vielen Gedanken mühsam wieder einfangen, sie irgendwie dazu bringen zu mir zurückzukommen. Als müsste ich die Gedanken aus den Wolken fangen, weil sie sich hoffnungslos darin verfangen haben.
Es ist Herbst, und die Welt ist grau. Als wären mit den fallenden, bunten Blättern auch alle Farben verloren gegangen, weil die Menschen mit ihren Schuhen achtlos darauf getreten sind, und all die Farben vom Regen davongespült wurden...Meine Welt ist grau. Ich weis nicht, woher diese innere Unruhe kommt, die mich antreibt. Doch sie hält mich davon ab, mich hinzulegen und nie wieder aufzustehen. Denn ich bin müde. Körperlich müde und müde vom Leben.

Leser ♥