Mittwoch, 25. Juli 2012

Tage wie diese

Ein Tag so überflüssig wie der Dreck der an meinen Schuhen klebt. Den letzten Test verhauen, aber es ist mir egal. Es berührt mich nicht. Noten sind doch auch nur Zahlen auf einem Blatt Papier. Es wird Ärger geben, aber noch nicht jetzt. Musik aus meinem Ipod, Musik in meinem Kopf. Eintauchen, die Welt verlassen. Ein Mädchen das durch die Straßen läuft, doch mit ihren Gedanken ist sie ganz weit fort. Überall und nirgends zugleich. Während auf ihre langen hellen Haare langsam der Regen tropft.

Zwei Gespräche, die überflüssig sind, weil doch nichts dabei herauskommt. Einmal mit meiner Tante. Sie hat nach meiner Hand gefragt, wie es mir geht wegen der Verletzung von vor drei Wochen. Es heilt, aber tut noch weh. Es wird eine hässliche Narbe bleiben und vollständig bewegen werde ich den Zeigefinger wohl auch nicht mehr können. Egal, darum war das Gespräch nicht schlimm. Sondern darum, weil wir irgendwann irgendwie auf das Thema ritzen gekommen sind. Ich weis schon gar nicht mehr wie. Als sie gemeint hat sie kann das gar nicht verstehen wie Leute das machen, das tut doch weh und ist absolut krank, hab ich nur mit den Schultern gezuckt und angefangen zu lachen. Keine Ahnung warum ich gelacht habe. Es war nicht lustig, absolut nicht. Aber das Gespräch ist mir so unangenehm gewesen. Denn ich spüre die relativ frischen Schnitte an meinem linken Arm, als sie das gesagt hat. Krank. Das Wort hat sich in meinem Kopf eingenistet. Mal wieder. Wie so oft schon. Sie sieht mich mit einem seltsamen Blick an, fragt: Warum lachst du? Machst du das selbst?! Nein, lüge ich. Meine Stimme klingt heiser, ich weiche ihrem Blick aus. Gehe.

Das zweite Gespräch war mit meinen Eltern. Vorhin. Mein Vater setzt mich wieder unter Druck. die schlechten Noten hab ich ihm noch gar nicht gesagt. Ein Gespräch, wie schon viele zuvor: Du musst wissen was du machen willst. Ich weis es aber nicht. Du musst es dir überlegen. Du musst dich entscheiden. Ich kann aber nicht. Du musst. Nein. Du musst. Ich will nicht. Du musst. Was glaubst du wohl, von wessen Geld du lebst?! Warum hilft mir nie jemand, warum erwarten alle nur immer von mir? Aber für mich da ist niemand, ist niemand je gewesen! Da ist er sauer geworden.. Was ich denn erwarten würde und was mir einfällt und dass ich kein Kind mehr bin das man an die Hand nimmt usw.. Aber es stimmt, dass mir meine Eltern niemals geholfen haben. Auch wenn ich kein kleines Kind mehr bin, so war ich das doch jahrelang. Und niemals hat mich jemand an die Hand genommen und mir geholfen. Ich war immer allein. Auf mich gestellt. Musste Dinge tun und erledigen und entscheiden, für die ich nicht alt genug war. Und niemals alt genug sein werde.. Denn ich bin immer noch ein Kind, das wollen sie nur nicht sehen, wollen sie nicht verstehen. Ich bin unfähig, weil mir niemals jemand etwas beigebracht und mir geholfen hat.
Und meine Mutter sieht mich nur an, als wäre ich nicht mehr wert als der Dreck unter ihren Füßen. Ich will einfach nur weg. Ich habe ein wenig mitbekommen, dass sie heute Nachmittag stundenlang telefoniert hat. Sie hat Angst vor ihrer Krankheit. Sie hat Angst. Auch wenn sie das noch nie gesagt hat, ich weis es trotzdem: Sie hat Angst zu sterben. Bei dem Gespräch mit meinem Dad, als ich so mehr oder weniger in der Tür gelehnt bin, einfach darauf hoffend schnell weg zu kommen. Meine Mutter, vorwurfsvoll: Seit ich aus dem Krankenhaus zurück bin siehst du mich gar nicht mehr an. Wegen der Narbe, weil du die riesige Narbe nicht sehen willst.
Da wurde mir schlecht. Ihre Worte, die sie zu mir gesagt hat. Dass es meine Schuld ist dass sie so krank geworden ist. Dass sie ins Krankenhaus muss und vielleicht nicht wieder kommt.
Die Worte sind immer da. Hämmern in meinem Kopf. Auch die lauteste Musik kann sie nicht vertreiben.
Schuld. Schuld. Schuld.

Tage wie diese. Ferien, auf die ich mich gefreut habe, aber die nun doch nicht mehr so verlockend erscheinen. Fast zwei Monate, hier zuhause. Mit ihr. Der Gedanke macht mir Angst. Ich weine, aber selbst zum weinen bin ich zu erschöpft. Das Fieber ist immer noch nicht weg. Heute in der Sbahn, wieder fast Bewusstlos geworden. alles zu anstrengend. Fragen im Test, die wie kleine schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen und sich nicht zu einem Sinn zusammenfügen.
Wie soll ich Antworten finden, wenn ich nicht einmal die Fragen kenne? Damit meine ich jetzt nicht den Test, der ist mir egal. Ich meine mein Leben.
Habe ich schon zu viel verloren, was ich nie die Chance hatte kennen zu lernen? Läuft die Sanduhr, die Zeit ab, ohne dass sich jemals etwas ändern wird? Graue Tage wie dieser ziehen vorbei, zäh und schwer, und nichts wird sich ändern. Leise und langsam fallen die Blütenblätter, fallen die Sandkörner, fällt der Schnee in mir.

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