Mittwoch, 8. August 2012

Intelligenz.

Ich habe zwei Blogawards erhalten, von Thinking-off_ und von Vanessa. Vielen lieben Dank dafür. :)


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Heute. Ein Tag, der so unscheinbar anfing. Ein typischer Ferientag, den ganzen Vormittag im Bett liegen, nachdem ich wieder so gut wie nicht schlafen konnte in der Nacht. Zitternd, frierend, weil das Fenster noch offen steht das ich in der Nacht nach dem Lüften vergessen habe wieder zu schließen. ein Geräusch weckt mich aus meinem Halbschlaf, seltsame wirre Träume, ganze Labyrinthe und Welten durch die ich in meinem Kopf geistere, doch sie alle sind dunkel und voller Erinnerungsfetzen und Gedankenstücke, an die ich mich nicht erinnern will. Irgendwann quäle ich mich aus dem Bett, mit dem Gedanken dass ich ja nicht den ganzen Tag dort verbringen kann, auch wenn ich das gerne würde. Wenn ich schlafen könnte würde ich am liebsten mein Leben verschlafen. Wochen und Jahre schlafen und nie mehr aufwachen. Nur leider kann ich nicht wirklich schlafen und habe auch irgendwie Angst vor den Träumen, Angst vor dem, was zum Vorschein kommt wenn ich träume. Schlafen ist für mich nicht erholsam. Ich fühle mich so müde, kaputt und schwach wenn ich aufwache wie zu dem Moment in dem ich mich hingelegt habe. Das ist nicht normal, ich weis. Aber ich kenn es schon gar nicht mehr anders..

Die Tage ziehen in Sinnlosigkeit vorbei, ertrinken darin, als wäre die Unendlichkeit ein Meer aus Dunkelheit und Zeit. Aufstehen. Wofür? Sonnenaufgang, Sonnenuntergang. Ist da wirklich etwas dazwischen? Es kommt mir nicht mehr so vor. In der Küche bin ich meiner Mutter begegnet. Wir hatten ein Gespräch. Ja, ein wirkliches Gespräch, keinen Streit, zumindest zunächst nicht. Wir haben miteinander geredet, bzw. sie hat auf mich eingeredet. Zunächst ging es allgemein um mich und wie schlimm ich doch bin (das selbe Thema wie immer halt^^) und um früher, um Vorwürfe die mir gemacht wurden, Dinge die sie mir ins Gesicht gesagt hat, die einfach nicht wahr sind, sie aber für Wahrheiten hält, und einfach nicht zuhören, nicht verstehen will wenn ich etwas sage. Die ganz normalen Themen eben. Wie immer. Es ging auch wieder um die Zukunft, die sie sich für mich scheinbar schon komplett ausgedacht hat. Doch ich will das nicht, will nicht mein Leben nach ihren Vorstellungen leben. Ich hab genug davon eine Marionette zu sein, an deren Fäden zu viele Leute gleichzeitig zu stark in viel zu viele verschiedene Richtungen ziehen. 
Aber es kam nicht wirklich zum Streit, denn kurz bevor es dazu kam hat sie etwas gesagt, dass sie zuvor noch nie gesagt hat. Dass ich aus meiner Zukunft etwas machen muss, weil ich überdurchschnittlich intelligent bin. Ich erstmal: hä? Wahrscheinlich mit einem Gesicht voller Fragezeichen, weil mir ja sonst so oft vorgeworfen wird wie dumm ich bin. 
Und dann fängt sie an zu erzählen. Von ganz früher. Als ich klein war, und die Ärzte gemerkt haben dass ich irgendwie anders bin, dass ich für mein Alter verhältnismäßig teilweise echt extrem intelligent bin, und die das teilweise sogar verwundert hat. Dass die Lehrerin in der Grundschule (Grundschulzeit war die Hölle für mich), so 2. oder 3. Klasse, zu meinen Eltern gesagt hat sie sollen doch mal einen Intelligenztest an mir machen machen lassen. Weil ich so extrem anders bin, klug bin, usw...
Und ich saß da, starr meine Mutter nur an, und die einzige Frage in meinem Kopf in diesem Moment, als sie mir das erzählt: WARUM hat sie mir das zuvor nie erzählt? WARUM weis ich davon nichts? WARUM erzählt sie es mir jetzt, so viele Jahre später, wo es sowieso nichts mehr ändern würde?
Das hat mich so durcheinander gebracht, das zu hören. Ich halte mich selbst nicht für intelligent, im Gegenteil. Ich bin manchmal so verdammt dumm, das ist nicht mehr schön. Für die einfachsten Dinge zu dumm, irgendwie. Aber irgendwie hat das in mir etwas ausgelöst, das jetzt von ihr zu hören. So viele Jahre später, es nebenbei erwähnt während sie mir Vorwürfe macht und am Spülbecken steht und mit einem nassen Tuch eine Pfanne sauber wischt. 
Ich hab nur eine einzige Frage raus bekommen: WARUM hast du den Test nicht machen lassen?
Die einzige Antwort, die ich bekommen habe, was ein Schulterzucken. Aber ich hab nicht nachgelassen, hab so lange nachgebohrt bis ich eine Antwort bekommen hatte. Die nicht sonderlich hilfreich war: "Weil wir dachten dass es nötig ist. Dass du klug bist war uns ja auch ohne Test klar. Also wofür?"
In dem Moment hätte ich am liebsten meinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Das ist der Grund? DAS? Ich weis nicht, vielleicht reagier ich da gerade ein bisschen über, weil das ganze eben erst passiert ist, aber in meinem Kopf ist ein Wirrwarr den ich gerade einfach nicht ordnen kann. Wenn das stimmt, wenn das wirklich rausgekommen wäre bei dem Test ( und mir ist durchaus bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit dafür gar nicht so hoch ist, dass es vermutlich sowieso nicht rausgekommen wäre, was ich aber nun niemals erfahren werde, was wirklich rausgekommen wäre), dann hätte das so viel verändert. Hätte meine Vergangenheit verändert, mein Leben. Ob zum besseren weis ich nicht, eine Garantie dafür gibts ja nicht, aber es hätte definitiv etwas geändert, und so schlimm wie es jetzt ist, ist mein Leben ja wirklich nichts tolles. Es hätte besser laufen können, defintiv. Viel besser. Meine Vergangenheit hätte sich komplett anders gestalten können, meine Entwicklung wäre anders gewesen. Das vor allem. Und darauf kommt es an, so wie ich jetzt bin, bin ich nämlich irgendwo in der Vergangenheit hängen geblieben, irgendwo zwischen Gegenwart und Vergangenheit, in einem Niemandsland verlorener Träume und verlorener Zeit, verlorenen Lebens. 
Ich weis, dass diese "Was wäre wenn"- Fragen zu gar nichts führen. Ich werde nie wissen, was anders gewesen wäre. Aber ich wäre vielleicht auf eine andere Schule gekommen, hätte die Chance gehabt da richtig zu leben, neu anzufangen, denn die Grundschulzeit war wirklich die Hölle. Aber so viel besser war es vorher oder nacher auch nicht. 
Versteht das jetzt nicht falsch. Intelligenz ist mir nicht wichtig. Ich halte mich nicht für intelligent und weis auch dass ich es nicht wirklich bin. Nicht in Bereichen die einem etwas nützen. Aber auch wenn die ganze Sache jetzt im Nachhinein natürlich rein gar nichts mehr ändert, so würde es doch einiges erklären, es zu wissen. Warum ich bin, wie ich bin. All die vielen Gedanken, die ich früher schon hatte, und die mir damals so sehr Angst gemacht haben. Dass ich Dinge verstanden habe, die die meisten anderen und andere Kinder in meinem Alter schon gar nicht, nicht verstanden habe. Mir hat das Angst gemacht und ich konnte mit niemandem darüber reden. Und das wäre eine Erklärung dafür, zumindest teilweise, irgendwie. Warum ich schon immer so..anders..war. Aber ich bin dumm, so dumm, denn ich hab mich selbst dafür gehasst. Dass ich es nicht geschafft habe so zu sein wie alle, auch wenn ich es versucht habe. Da sind so viele Momente, so viele teilweise kleine Momente, nur Funken in meiner Erinnerung, die irgendwo im Dunkeln treiben, und wofür das nun mal wirklich eine Erklärung war. Und warum ich früher immer alles selbst machen musste, mir immer gesagt wurde, dass ich es selbst kann, ich deswegen angeschrien wurde, weil ich ein Kind sein wollte wie alle, wie mein Bruder, dem die Eltern helfen und Dinge tun. Doch ich war kein Kind, war sogesehen irgendwie schon erwachsen, weil ich es selbst tun musste. Während mein Bruder wie ein Kind behandelt wurde und ich so neidisch auf ihn war, mein halbes Leben lang neidisch auf ihn war, so intensiv und extrem wie auf niemanden anders in meinem Leben. Und ich hab mich selbst gehasst, weil ich alles selbst machen musste und so dumm war die anderen merken zu lassen dass ich es kann. Im Nachhinein blöd stellen bringt nichts mehr. Ich hab es versucht. Ich hab mir gewünscht nichts selbst zu können. Von meinen Eltern auch mal ins Bett getragen und zugedeckt zu werden, wie sie es bei meinem Bruder gemacht haben, und da dann eine Geschichte vorgelesen zu bekommen. Aber ich konnte ja schon viel zu gut selber lesen, richtige Bücher schon.. und den Unterschied, zwischen vorgelesen bekommen, was irgendwie jedes Kind bekommt wenn es klein ist außer mir, und selber lesen haben meine Eltern nie verstanden. Es geht nicht um die Geschichte. Es geht um Wärme, um Zuneigung, darum dass sich jemand um einen kümmert, dass man jemandem wichtig ist, dass jemand lieb zu einem ist, einen bemerkt und wahrnimmt und gern hat, das jemand da ist und auf einen aufpasst, und man seine Zeit mit einander verbringt..das ist Familie, zumindest die Vorstellung die ich von Familie hab... denn ich selbst kenne es nicht. Ich weis nicht, was Familie ist. Was das Wort wirklich bedeutet. Denn ich habe keine Familie, nur auf dem Papier habe ich eine, nicht in der Realität...
Es geht mir nur darum, dass ich verstehen möchte. Mich, mein Leben, alles. Es geht mir nicht darum, dass ich unbedingt intelligent sein will. Das ist mir nämlich egal. Und ob man nun eine Bescheinigung darüber hat, ob man klug ist oder nicht, und wie klug man ist, ist mir auch egal. Ich finde nicht, dass sich Intelligenz wirklich messen lässt. Ich finde auch nicht, dass Noten in der Schule etwas darüber aussagen ob man nun klug ist oder nicht. Alles was ich möchte ist verstehen. Ich möchte das Puzzle zusammensetzen aus dem mein Leben besteht. Möchte zumindest einige der Teile an ihren richtigen Platz einfügen und somit etwas mehr verstehen können. Warum ich bin wie ich bin. Es ist nicht allein eine schwierige und nicht schöne Vergangenheit, die einen zu dem macht, was man ist. Es ist auch nicht nur die Gesellschaft, die Umgebung, das Umfeld, das uns zu dem macht, was wir sind. Da ist noch ein Teil mehr, etwas das in unseren Köpfen steckt, von Anfang an. Und genau dieser Teil ist am schwierigsten zu verstehen. Wenn man von Anfang an schon anders war, als die schlimmen Dinge gerade erst anfingen zu passieren, dann ist das irgendwie eine riesige, schwarze Lücke im Puzzle, ein wichtiger Teil, der uns einfach fehlt, um das Ganze überhaupt verstehen zu können.
Ich will gar nicht intelligent sein. Denn irgendwie macht es mir Angst, vor allem weil ich eben so dumm bin. In vielen Situationen so dumm, dass ich im Nachhinein einfach nur resigniert den Kopf darüber schütteln kann. Viele Menschen halten mich für dumm, vor allem viele die mich kaum kennen bzw die ich zum ersten Mal sehe. Ich gebe einfach nichts von mir preis, irgendwie. Ich bin still und schüchtern und klein und sehe aus wie ein jahre jüngeres Kind. Manchmal gefällt es mir, dass die Menschen einen vollkommen falschen Eindruck von mir bekommen. Manchmal gefällt es mir gar nicht, dass sie mich nicht ernst nehmen. Das variiert von Situation zu Situation, und das ist so teil meiner Identität geworden, dass ich selbst nicht mehr weis, was davon eigentlich stimmt oder nicht stimmt.
Ich verstehe wirklich nicht, warum meine Mutter das nicht hat testen lassen. Warum sie es gar nicht wissen wollte. Weil ich ihr so egal bin? Weil ich eben einfach nur da bin, so wie das Inventar des Hauses, ich gehör dazu weil ich einfach nur da bin, aber mehr bin ich nicht. Ich war nie gut genug für irgendwas. Ich war nie gut genug, dass man sich näher mit mir beschäftigt und realisiert, dass man ein Kind hat. Im Grunde bin ich ein sprechendes Möbelstück, so hab ich mich früher so oft gefühlt, als ich klein war. Und im Schrank saß wenn ich Angst hatte. Aber die Angst ist so tief in mir, so teil von mir, dass ich mich davor weder verstecken noch weglaufen noch sie verdrängen kann. Ich habe so viele Jahre gebraucht um das zu erkennen. Noch ein Zeichen dafür, dass ich absolut dumm bin. 

Alles was ich jetzt gerade bin ist: verwirrt und müde. Ich weis nicht, was ich denken soll, die Gedanken fahren in meinem Kopf Achterbahn, und ich kann sie nicht abschalten. In mir laufen unzählige "Was-wäre-wenn" Szenarien ab, wie mein Leben vielleicht hätte besser verlaufen können, während ich zugleich weis dass es absolut sinnlos ist darüber überhaupt nachzudenken. Es bringt nun mal einfach nichts. Es bringt absolut nichts. Und ich denke mal ich bewerte das grad über, vielleicht ist es einfach nur wirklich Unsinn. Und ich schreib gerade einen halben Roman über diesen Unsinn, weil meine Gedanken gerade darum kreisen und ich einfach nicht weis was ich denken, wie ich meine Gedanken ordnen soll. Unsinn, der sowieso niemanden interessiert, tut mir Leid, dass mein Gehirn gerade nichts sinnvolles zustande bringt.
Ich weis es nicht, weil ich gar nichts mehr weis. Ich will einfach nur schlafen. Ich will schlafen und nicht mehr aufwachen müssen. 

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