Mondwanderin Teil 2
Ich folgte der Frau über die Brücke aus
Licht durch den Himmel, und obwohl sich Tausend Fragen in meinem Kopf
ansammelten, brachte ich nicht eine davon über die Lippen, und so blieb ich
stumm, denn mein Blick war wie gefangen von diesem Anblick und in meinen Augen
leuchtete ein Glanz der noch nie darin zu sehen war. Es fühlte sich an, als
würde ich die Unendlichkeit durchqueren, der weite Nachthimmel mit funkelnden
Sternen, die wirkten die Splitter aus Licht in einen samtenen Teppich gewebt.
Egal in welche Richtung ich schaute, es gab weder einen Anfang noch ein Ende,
das Ende hatte ich weit hinter mir zurückgelassen, mein offenes Fenster, in dem
niemand mehr stand und dessen Vorhänge in der Dunkelheit sachte im Wind wehten.
Das hier war ein Stück Ewigkeit, davon war ich überzeugt. Ein Stück Ewigkeit,
das als Splitter in mein Herz wandern würde und dort bleiben, ein Teil
hinzugefügt zum Scherbenmeer um es wieder ein wenig mehr ganz zu machen.
Irgendwann blieb die Frau stehen und
drehte sich zu mir um. Wieder war ich von ihrer außergewöhnlichen Schönheit
berührt, wieder brachte ihre melodische Stimme etwas in mir zum klingen.
„Wir sind gleich da. Schließe deine
Augen und folge mir.“ Mit diesen Worten ergriff sie meine Hand und ich spürte
plötzlich ein seltsames Ziehen und Zerren und Drehen, als wäre mir schwindlig
und ich würde zugleich fallen und wieder auf die Beine gezerrt werden. Durch
meine geschlossenen Augen sah ich nichts, aber ich hörte die Stimme der Frau
neben mir, diesmal näher an meinem Ohr, fast schon in meinem Kopf.
„Dies ist der Mond der Träume und Illusionen, du
bist hier, um die Splitter deines Herzens wieder einzusammeln, die hier überall
verstreut sind. Wenn dir das gelingt, wirst du wieder ein ganzer Mensch sein,
wenn es dir nicht gelingt, wirst du sterben. Diese Welt ist voller Gefahren,
aber auch voller Schönheit. Du hast nicht ewig Zeit, also beeile dich. Bis der
Mond einmal seinen Zyklus vollendet, das ist deine Chance. Begib dich nun zum
Fährmann, er wird dich auf die andere Seite des Flusses tragen…“ Ihre Stimme
wurde leiser und verhallte schließlich, genau wie ihre Hand nicht mehr die meine
hielt und auch die Wärme langsam verschwand und meine Hand kalt war wie zuvor. Das
Gefühl von eben, als ich im Sternenmeer gestanden hatte, war auch verschwunden
und als ich die Augen aufschlug stand ich in einem nächtlichen Wald, kalt und dunkel und
bedrohlich.
Ich hatte nicht die Gelegenheit gehabt,
der Frau eine Frage zu stellen, also sah ich mich nun um, während ihre Worte
durch meinen Kopf liefen, wie eine CD, die einen Sprung hat und immer wieder
das selbe abspult. Aber schlau wurde ich nicht daraus. Auch wenn man mein
Gefühl nicht direkt als Angst bezeichnen konnte, so war es zumindest Unbehagen
und starke Unsicherheit. Aber was vielleicht seltsam war, mir aber nicht
seltsam vorkam, war die Tatsache, dass ich um keinen Preis wieder zurück
wollte, zurück zu meinem leeren Fenster und der Traurigkeit die an meinem alten Leben klebte und mir den Atem nahm.
Ich machte ein paar Schritte, Laub
knirschte unter meinen Füßen, in einem Busch raschelte es. Plötzlich erhob sich
eine leise Melodie ganz in der Nähe, wie magisch davon angezogen näherte ich
mich, und sah bald einen Mann auf einem kleinen Ruderboot, an einem kleinen
Steg, am Ufer eines breiten, dunklen Flusses. Das muss der Fährmann sein,
dachte ich und näherte mich dem Mann, in dessen Gesicht die Zeit tiefe Falten gegraben
hatte, und in dessen Augen ich nur Dunkelheit sah. Er war mir nicht geheuer,
aber trotzdem trat ich näher. Als er mich bemerkte, verstummte die Melodie und
seine Augen hoben sich und bohrten sich tief in die meinen.
„Ah, sieh an…du möchtest über den Fluss,
nicht wahr? Ich bringe dich hinüber…“ krächzte er mit tiefer, heiserer Stimme
und fuhr sich durch das silberne schulterlange Haar, das total zerzaust war.
Ich brachte erst einmal kein Wort heraus.
Sein Blick war mir unangenehm und ich wandte ihn ab und ließ ihn auf den Fluss
hinüber wandern. In den schwarzen Wellen sah ich nur Dunkelheit, auch das
andere Ufer war davon eingehüllt wie in einen Schleier. Doch es war kein
Schleier aus Samt, sondern einer aus dornigen Stricken, in die die Finsternis eingewoben
ist.
„Was…liegt jenseits des Flusses?“
brachte ich schließlich hervor, meine Stimme zitterte leicht und plötzlich war
mir kalt.
Der Alte bedachte mich mit einem
abschätzenen Blick, ehe er langsam zu einer Antwort ansetzte.
„Die Wahrheit. Dein Tod. Antworten auf
Fragen, die du dir vielleicht nie gestellt hast. Eine Welt voller Lügen und
Schmerz. Ein Abenteuer. Licht oder Finsternis. Scharfe Splitter, von denen Blut
tropft. Ein Meer von Geschichten. – Wer weis? Niemand kann vorhersagen, was
dort auf dich wartet. Steig ein, ich bringe dich hinüber. Du bist zu weit
gegangen und kannst nicht mehr zurück.“
Dann schwieg er, nahm in aller Ruhe das
Ruder in die Hand, um sich in den Bug zu stellen und auf mich zu warten.
Zögernd ging ich näher. Nahm das kleine Boot mit der kleinen Sitzfläche in
Augenschein. Würde es kentern? Falls er meine Gedanken erriet, ließ er es sich
nicht anmerken sondern lächelte nur leicht, weder böse noch freundlich, es war
einfach ein Lächeln, das nicht in das Gesicht passte, als hätte er es vor
langer Zeit irgendwo verloren.
Ich setzte mich in das Boot, strich mein
weises Kleid glatt, das ich noch immer trug, und fragte „Wer bist du?“
Darauf sah er mich kurz an,
nachdenklich, während er mit dem Ruder das Boot vom Steg abstieß und die kleine
Holzschale in die dunklen Wellen glitt.
„Ich bin ein Toter.“
„Wie fühlt es sich an, tot zu sein?“ Die
Frage kam aus meinem Mund, ehe ich überhaupt darüber nachgedacht hatte sie zu stellen.
„Kalt. Keine Ahnung“ er zuckte mit den
Schultern. „Genauso gut könnte ich dich fragen, wie es sich anfühlt lebendig zu
sein.“
Ich zuckte ebenfalls mit den Schultern, da ich
darauf keine Antwort hatte. Doch ehe ich dennoch etwas erwidern konnte fuhr er
fort:
„Doch wirklich am Leben bist du nicht
mehr, sonst wärst du nicht hier. Du existierst zwar noch, aber leben tust du
nicht mehr.“
Darauf hatte ich auch keine Antwort,
denn es war mir unangenehm, dass er so viel über mich wusste, als könnte er
durch meine Augen direkt in mein kaputtes Inneres sehen.
Während das Boot langsam durch die
dunklen Wellen glitt, schwieg ich, in Gedanken versunken, die Augen auf den
Neben und die Finsternis gerichtet und mit meinen Gedanken bei Splittern des
Herzens, die ich sammeln musste, und die Aufgabe erschien mir plötzlich so
unendlich groß und unlösbar, da ich mich selbst so klein und verloren fühlte,
wie ich über den Fluss einem ungewissen Schicksal entgegentrieb.
[Fortsetzung folgt]
Nicht Mainstream find ich gut. :)
AntwortenLöschenSag mal, wo wohnst du eigentlich? :)
Oh man. So weit weg. Ich wohn in Sachsen. :)
AntwortenLöschenschöne geschichte. Ich mag deinen schreibstil.
AntwortenLöschenFinde ich auch. Ich hab den spruch auf fb endeckt und musste ihn sofort bloggen, weil es einfach manchmal der wahrheit entspricht.
lg
Wow, das ist echt gut! :) Schreibst du denn öfter solche Geschichten?
AntwortenLöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenich bin gefesselt und will auf jeden fall wissen wie es weiter geht! ^^
AntwortenLöschenbeim ersten teil war ich noch unsicher, was ich davon halten sollte. jetzt aber hab ich das gefühl, dass du dich richtig in die geschichte reingefunden hast und das flüssiger wird. wird man daraus jetzt schlau? ich kanns nicht besser formulieren.
ich schreibe auch immer mal wieder, leider aus zeitmangel viel zu selten und nach meinem eigenen empfinden auch nicht wirklich gut. aber es gibt halt so geschichten, die hat man im kopf und die wollen unbedingt hinaus. wie ein zwang.
schreib bitte auf jeden fall weiter! ^^
alles liebe <3
Oh das freut mich das du das auch gut findest !!;)
AntwortenLöschenJa genau, ich glaube auch das das sehr viel helfen und erleichtern würde!
wenn du willst können wir mailen, ich hab mir eben einen extra account für meinen blog und so eingerichtet :)
hier : prim.rose1@web.de
ich freu mich auf deine mail, wir schaffen das!!! <3
Vielen, vielen Dank für dein Verständnis! Du glaubst gar nicht, wie sehr es mir hilft zu wissen, dass du verstehst was ich meine und dass du dieses Gefühl kennst. Es ist genau so wie du es beschreibst, man fühlt sich so hilflos und verletzlich und manchmal wundert man sich so sehr, dass keiner sieht wie das Blut die Klamotten durchweicht und wie entstellt der eigene Körper ist, so wie als wäre er ein Memorium von grausamen Dingen, die unsichtbare Wunden hinterlassen haben.
AntwortenLöschenUnd genau man fühlt sich so gefangen. Aber durch dich fühle ich mich schon etwas weniger alleine ♥ Ich bin so froh, dass es dich gibt.
Ich denke oft an die Flügel und ich hoffe so sehr, dass wir sie in uns finden können. Jeder einen :)
Freut mich, dass du auch der Meinung bist (:
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